Landbote 2009

Kraft und Sanftmut dargestellt

Kühe faszinieren mich», sagt Beatrice Hafner (43). «Jede Kuh hat ihre eigene Persönlichkeit. Kühe strahlen gleichzeitig Kraft und Sanftmut aus.» Die in Winterthur aufgewachsene Künstlerin lebt mit ihrer Familie in Dägerlen und bewirtschaftet zusammen mit ihrem Mann einen Landwirtschaftsbetrieb. Aufgrund der immer schwierigeren Bedingungen gaben sie die Milchwirtschaft vor ein paar Jahren auf. Der Stall ist seither verwaist und an ein Baugeschäft vermietet. Der Trennung von den Kühen ging ein langer Prozess voraus. Dies sei einerseits sehr traurig gewesen, andererseits habe man neue Freiheiten und Unabhängigkeit gewonnen. Die Liebe zu den Kühen aber blieb. Und so kam es, dass Hafner später ab und zu beim Skizzieren auf Nachbars Weide anzutreffen war.


Die Idee, Leinwände mit Edelweiss-Textilstoff zu bespannen, sei ihr nachts gekommen. Sie habe sich immer wieder damit beschäftigt, den Hintergrund mit dem Objekt zu verbinden, damit eine Einheit entsteht. Warum nicht diese Verbindung durch den Stoff der typisch schweizerischen Bauernhemden herstellen? Das Resultat habe dann selbst sie erstaunt. Dass Beatrice Hafner ihre Kühe nun im «Bännestall» in Rutschwil (Gemeinde Dägerlen) ausstellt, ist kein Zufall. Der umgebaute ehemalige Stall ist geradezu prädestiniert für Hafners Kühe.


Vor rund sieben Jahren begann Beatrice Hafner regelmässig Mal- und Zeichnungskurse zu belegen. Sie vertiefte sich zuerst in Aquarell und malte Landschaften und Ansichten vor Ort, etwa im Pitztal, in Venedig oder im Piemont. Später folgten Gemälde in Eitempera, Gouache und Öl. «Man befindet sich ständig in einem Prozess. Im Moment müssen die Bilder einfach gross sein, damit ich mit Kraft und Körpereinsatz malen kann. Dies kann ich seit Kurzem in einem Gemeinschaftsatelier in Rheinau bestens ausleben», so Hafner. Wenn etwas nicht gelingt, bezeichnet sie es als Experiment. Letzthin habe sie in einem Anflug von Wut ein Bild auseinander geschnitten und neu aufgezogen, nun gefalle es ihr. Das Thema Kühe sei noch lange nicht ausgereizt. Hafner wird sich demnächst auf die Suche nach einem breiten, massiven und von Kraft strotzenden «Prachtsmuni» begeben. Als ehemalige Viehalterin weiss sie auch schon, wo sie fündig werden könnte: «Ich werde mich in einer Besamungsstation nach einem geeigneten Modell umsehen.»


Als Künstlerin mag sich die dreifache Mutter nicht bezeichnen. Ist sie nun eher Bauersfrau oder Malerin? Sich diese Frage zu stellen, hat Beatrice Hafner schon lange aufgegeben. Sie weiss nur, dass sie die Malerei leben muss. Doch Hafner ist nicht nur auf Kühe fixiert. Sie malt auch gerne Menschen im Kontext. «Auf dieses Thema komme ich immer wieder zurück, da es für mich eine besondere Herausforderung darstellt. Das Alltägliche, manchmal ganz Banale oder Persönliche am Menschen ist das, was mich immer wieder reizt und für Neues motiviert.»

KP

Bauernzeitung

Eintauchen in eine andere Welt

 

Viele Jahre hatte das künstlerische Schaffen keinen Platz im Leben von Beatrice Hafner. Das hat die Bäuerin jetzt geändert. DÄGERLEN - Bald heisst es: Koffer packen und ab in das Piemont. Für Beatrice Hafner ist diese Woche in Italien etwas ganz Besonderes. Dann nämlich taucht sie ab in die wunderbare Welt der Farben. Fünf Tage lang überträgt sie die Wirklichkeit mit ihren Pinselstriehen auf die Leinwand und tankt dabei Kraft und Freude. «Ich freue mich schon seit einem Jahr auf diese Zeit, und ich weiss, ich komme nach der Kurswoche glücklich nach Hause», strahlt die Bäuerin aus Dägerlen ZH.

Malwochen sind seit vier Jahren ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben. «Ich erhielt zu meinem vierzigsten Geburtstag von meinem Mann einen einwöchigen Malkurs in Zell am See geschenkt.» Das Ganze war für die dreifache Mutter ein beeindruckendes Erlebnis. Sie kann sich heute
noch genau an viele Einzelheiten, an die Landschaftssujets und an ihre Gefühle erinnern. «Das Malen hat mich gepackt, mich sehr beflügelt und mir eine neue Dimension der Sinne eröffnet.»
Familie und Betrieb Hessen . kaum Zeit zum Malen Beatrice Hafner hat schon als Kind gerne und gut gemalt. Eigentlich wollte sie als junge Frau an die Kunstgewerbeschu­le. Aber das Leben wollte es an­ders. Sie absolvierte die Lehre zur Arztgehilfin und bekam dann früh ihre erste Tochter.

Kuh auf BauernhemdstoffEin paar Jahre später lernte sie René kennen. Sie zog nach Dägerlen, heiratete und die Fa­milie vergrösserte sich. Schnell lebte sich die junge Frau in das Leben einer Bäuerin ein. Neben der Arbeit als Fami­lienfrau half sie auf dem Feld mit, pflegte den Hausgarten und trieb bis vor wenigen Jah­ren die Kühe abends in den Stall. Dabei blieb kein Raum für ihre Liebe zum Malen. «Ich habe sehr selten einen Pinsel in die Hände genommen und wenn, dann nur heimlich», er­innert sie sich.
Das Versteckspiel hatte ein Ende, als ein Kollege vor rund sieben Jahren eine Zeichnungs­schule in Winterthur eröffnete. Sie war eine seiner ersten Kurs­absolventinnen. «Ich ging ein­mal pro Woche für drei Stunden nach Winterthur. Ich genoss die­se Zeit sehr und tauchte in eine komplett andere Welt.»
Ihre Passion für die Malerei liess sie nicht mehr los, und sie besuchte regelmässig weitere Kurse. So entdeckte sie auch das Aquarellieren, das Aktzeichnen, das Arbeiten mit Öl und viele an­dere Techniken und Stilrichtun­gen. Das Malen fand nach und nach seinen Platz in ihrem Le­ben.
«Seit einem Jahr weiss ich nun genau, dass ich mehr Zeit möchte für das kreative Schaf­fen. Aber zuerst musste ich ler­nen, selber zu diesem Ent­schluss zu stehen und dies auch meiner Umgebung kundzu­tun.» Das fiel ihr nicht einfach. Sie brauchte viel Mut und Kraft dazu. Seit diesem Frühling hat sie einen eigenen Atelierplatz in Rheinau. Dort ist ihrer Schaf­fenskraft keine Grenzen gesetzt -eine Schaffenskraft, die viele Menschen beindruckt.
Im April 2009 stellte sie ihre Bilder -nach viel Überzeu­gungsarbeit von Bekannten und Freunden -erstmals in ihrem Dorf Dägerlen aus. Bea Hafner malt auf Bauernhemdstoff mit sanfter Farbe wunderbare, le­bensnahe Kühe. Die Besucher sind fasziniert. Die Bilder fin­den sehr schnell ihre Käufer. «Ich habe dies nicht erwartet. Ich begann nicht zu malen, weil ich verkaufen wollte, sondern weil das Malen für mich wichtig ist», so die Künstlerin über­rascht über ihren Erfolg. Ihre Kuhbilder hängen nun in Finn­land, in einigen Schweizer Stu­ben und vielleicht schon bald in Kanada.

Nicht nur Kühe auf die Leinwand bringen

Die Idee für ihre Kuhbilder hatte sie letzten Winter. Auf der Suche nach Sujets wanderte sie durch ihre Heimatregion und setzte sich bewaffnet mit einem Skizzenblock und Fotoapparat in eine Kuhweide. Dabei entdeckte sie unter anderem Chroni, ein neun Jahre altes Rotfleckvieh mit schön geschwungen Hörnern. «Sie hat mich fasziniert. Ihre Augen und Hörner sind beeindruckend», schwärmt Beatrice Hafner. Der
gemütliche Wiederkäuer ist nun auf der Leinwand unverwechsel­bar verewigt. Eines der quadra­tischen Bilder mit Chroni ent­stand in einer Nacht voller Krea­tivität und steht heute noch im Atelier. «Ich weiss nicht, ich kanns im Moment nicht verkau­fen. Ich hänge zu sehr daran.»
Ihre Leinwandkühe sind be­gehrt. Es existiert bereits eine Be­stellliste, und die Agenda füllt sich mit Ausstellungsterminen. Beatrice Hafner kann es noch gar nicht richtig fassen. Ihr ist klar, dass sie in Zukunft nicht nur Kühe auf die Leinwand bringen will. «Ich möchte mit Ölfarben Menschenbilder kreieren. Ein Sujet habe ich schon im Kopf.»


Festgefahrene Grenzen sprengen

Chronis Leben hat sich durch ihre Leinwandpräsenz nicht ver­ändert. Sie steht nach wie vor mit ihren Kolleginnen Gras mal­mend auf der Weide in Hettlin­gen. Für Beatrice Hafner hat sich das Leben hingegen stark ge­wandelt. Sie lebt jetzt das Leben der Bäuerin und das Leben der Künstlerin. «Beides unter einen Hut zu kriegen ist manchmal schwierig. Aber ich möchte die Veränderung in meinem Leben nicht missen.»
Sie ist froh, durfte sie ihre schlafende Passion zum Malen wach küssen. Es hat von ihr viel Mut gebraucht, dazu zu stehen, ihre Teilzeitstelle als Fitnessin­struktorin zu kündigen und ihre Welt des Malens auszuleben. «Ja, es lohnt sich, die eigene Angst zu überwinden und festgefahrene Grenzen zu sprengen und so Platz für Neues zu schaffen.»
Brigitt Hunziker Kempf

Quelle: Bauernzeitung | 11. September 2009


DÄGERLEN • Bald heisst es:
Koffel"packen und ab in das Pie­
mont. Für Beatrice Hafner ist
diese Woche in Italien etwas
ganz Besonderes. Dann nämlich
taucht sie ab in die wunderbare
Welt der Farben. Fünf Tage lang
überträgt sie die Wirklichkeit mit
ihren Pinselstriehen auf die
Leinwand und tankt dabei Kraft
und Freude. «Ich freue mich
schon seit einem Jahr auf diese
Zeit, und ich weiss, ich komme
nach der Kurswoche glücklich
nach Hause», strahlt die Bäuerin
aus Dägerlen ZH.

 

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